Kochen mit Clemens Wilmenrod

Nun wollen wir uns, da mit großen Schritten sich kühlere Tage nähern und der Herbst, später der Winter ins Haus steht, mit den Dingen beschäftigen, die uns in solchen Zeiten, wenn der Sturmwind ums Haus tobt, der Regen in endlosen Bächen an den Fensterscheiben herunter rinnt und dann irgendwann auch vielleicht ein paar Schneeflocken leise hernieder fallen, besonders gut tun – mit dem Essen nämlich. Und wer wäre besser dafür geeignet, als unser Clemens Wilmenrod, der in den 50er und 60er Jahren der bekannteste Fernsehkoch in der wirtschaftswundernden Bundesrepublik war?

Er sorgte mit seinen Ideen und Rezepten (die er natürlich zusammen mit seiner hinter den Kulissen den Kochlöffel schwingenden Ehefrau entwickelte) dafür, dass die langsam aber sicher zu Wohlstand kommenden Deutschen einen strammen Wohlstandsbauch entwickeln konnten.

Er war sehr einfallsreich. Hier zum Beispiel erläutere er die Herstellung eines Heringssalates nach bretonischer Art, für die er sage und schreibe eine ganze Woche veranschlagte. Und das nur, damit die treusorgende Ehefrau dem Gatten eine Speise servieren konnte, bevor er am Samstag abend zum Skatspielen ging (was vermutlich bedeutete, dass sie ihm eine Grundlage dafür schaffte, dass er nach zehn, zwölf Flaschen Bier und einigen Kurzen mit den Skatbrüdern, trotz aller daraus folgenden Widrigkeiten, noch den Weg nach Hause fand)! Dieses nette Filmchen stammt aus dem Jahre 1961, es könnte aber auch bereits 1958 entstanden sein, denn darüber gehen die Meinungen etwas auseinander…

…und zum Nachtisch dann, kann die beste Ehefrau von allen dem Herrn des Hauses noch ein paar gefüllte Erdbeeren kredenzen. Wer das allerdings nicht weiss, dem kann es passieren, dass er voller Freude seine Zahnprotese in die mit einer Mandel gefüllte Frucht haut und hinterher den ein oder anderen Zahn vermisst, weil er ihn in seiner Gier versehentlich verschluckt hat…

Das Essen im Nachkriegs- und Wirtschaftswunderdeutschland hatte es in sich. Keine Frage. Aber war es ungesünder als der Industriefraß heute? Das möchte ich ein oder zweimal bezweifeln. Warf man der Küche und den Köchen der aufstrebenden Bundesrepublik vor, zuviel Fett, zuviel Fleisch und zu wenig Obst und erst recht zu wenig Gemüse zu verwerten, so ist in den heutigen, industriell vorgefertigten Tütensuppen, Fertiggerichten und Fastfood-„Spezialitäten vor allem was drin? Richtig, zuviel Fett, zuviel Fleisch und zu wenig Obst und Gemüse und, das wollen wir nicht verheimlichen auch noch jede Menge Industriezucker, Hefeextrakt und Geschmacksverstärker. Darüber hinaus schmeißen wir uns abends vor dem Fernseher auch noch „leckere“ (fettige und vor allem extrem salzige) Knabbereien ein, nehmen als „Zwischenmahlzeit“ ein-, oder zweimal täglich einen Schokoriegel (natürlich mit jeder Menge Fett und dem Energiegehalt von mehreren Dutzend Stückchen Würfelzucker) zu uns, um das aus der Werbung wohl bekannte „Elf-Uhr-Loch“ zu füllen oder meinetwegen auch die viel zu lange Zeit zwischen den Hauptmahlzeiten zu überbrücken und gießen uns dann, weil wir von dem ganzen Mist durstig geworden sind, braun gefärbte Zuckerbrühe in uns hinein, damit wir nicht austrocknen!

Okay, das ist natürlich alles sehr viel nachhaltiger, gehaltvoller (jedenfalls gehaltvoller an Kalorien) und gesünder als die Ernährung von vor fünfzig, sechzig Jahren – wenn man der Werbung der Lebensmittelkonzerne Glauben schenkt! Allerdings waren die Mengen, die man früher zu sich nahm, deutlich kleiner. Jedenfalls in meiner Erinnerung.

Damals starb man vielleicht an Herzverfettung oder Lungenkrebs, weil man zu allem Überfluss auch noch rauchte wie ein Schlot. Heute gehen wir an Herzinfarkt und Diabetes Typ 1 oder Typ 2 ein, was auch nicht wirklich besser ist! Aber dennoch kann ich mich der weisen Erkenntnis eines Wiglaf Droste nicht ganz verschließen. Er vertritt die Ansicht, Diät ist Mord am ungegessenen Knödel. Und wer bin ich, dass ich dem widersprechen könnte?

Ich habe lieber Blähungen durch einen deftig gewürzten Kartoffelsalat mit ordentlich Mayonnaise, als durch eine Kohlsuppendiät. Besonders, wenn die Folgen derselbe derart drastisch und vor allem peinlich sind, wie sie der nette kleine Artikel des Vincent Klink auf zeit.online vom 11.5.2006 schildert.

Wer noch weiter gegen den herrschenden Zeitgeist anmampfen will, darf sich gerne der Rezepte aus dem Wirtschaftswunder bedienen und dann auch stolz seine Plauze vor sich her tragen…

So das sollte es erstmal gewesen sein. Wer Rezepte kennt und sie mir und den Lesern gern zur Verfügung stellen möchte, sollte sich keinen Zwang antun, sondern eifrig nieder schreiben, was er früher gerne futterte, wenn Muttern in der Küche gewirbelt hatte…

Clemens Wilmenrod, der eigentlich Carl Clemens Hahn hieß und sich nach seinem Heimatort Willmenrod nannte, starb leider viel zu früh, vermutlich durch Selbstmord in einem Münchner Krankenhaus. Es bestand der Verdacht auf Magenkrebs. Man kann ihn getrost als den Erfinder der Kochshows bezeichnen, die heute auf nahezu jedem Programm und zu jeder Tages- und Nachtzeit laufen und die Hinz und Kunz ein Forum geben, um sich vor der Kamera zu produzieren. Den Charme der alten Sendungen aus den 50er und 60er Jahren, erreichen sie aber alle nicht.

Etliche heute weniger bekannte Rezepte werden ebenfalls dem Einfallsreichtum Wilmenrods und seiner Frau zugeschrieben. Zum Beispiel das arabische Reiterfleisch. Neben seinen Fernsehauftritten veröffentlichte Clemens Wilmenrod auch noch etliche Kochbücher, die heute Kultstatus besitzen und als antiquarische Bücher relativ teuer sind. Aber das ein oder andere dieser Prachtstücke gehört zweifellos in jeden guten Haushalt, der auf sich hält und die Zeit des Wirtschaftswunders ab und an der Vergessenheit entreißen möchte. Wenigstens was die Küche betrifft!

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Endlich wieder zu Hause

Mehr als vierzig Jahre nachdem ich meinen Stadtteil, in dem ich als Kind lebte und aufgewachsen bin, verlassen musste, bin ich an den Ort meiner Kindheit zurück gekehrt! Ich bin wieder da. Bin wieder zu Hause! Ich wohne nun zwar in einer anderen Straße, aber in eben demselben Stadtteil, der meine Kindheitserinnerungen so entscheidend geprägt hat, dass ich mich eigentlich nie wieder irgendwo richtig heimisch gefühlt habe – ich bin wieder in der Karlsruher Waldstadt. Und ich werde hier nicht wieder weg gehen, bis man mich, mit den Füßen zuerst, aus der Wohnung trägt!

Es hat sich nicht viel verändert. Und doch ist jetzt alles ganz anders, als ich es erinnere. Die Leute, die ich kannte, die Nachbarn, die Freunde, alle sind fort. Die Alten starben, die Jungen zogen weg und gründeten eigene Familien, irgendwo in Deutschland, wohin der Wind und die Arbeit sie verschlugen. Ich wünsche ihnen, dass es ihnen gut erging, dass sie Fuß fassen konnten und sich ein eigenes, neues Leben aufbauen konnten. So wie ich es auch tat. Nach ihnen kamen andere Leute, neue Familien, lebten hier, waren glücklich, oft aber auch nicht, liebten sich, trennten sich vielleicht, bekamen Kinder, zogen sie groß und starben oder wurden ins Altenheim abgeschoben, weil sich niemand mehr um sie kümmern konnte oder wollte!

Ein Teil der Häuser ist jetzt dick isoliert, um den neuesten Wärmeschutzverordnungen zu genügen und die Heizkosten zu senken. Die Fenster sind ebenfalls neu und zugfrei. Es gibt Fernwärme. Niemand muss mehr in den Keller hinunter rennen und täglich mehrere Eimer Kohlen herauf schleppen, damit die Bude im Winter nicht kalt wird.  Oder im Sommer der Ofen im Badezimmer. So gesehen ist der Fortschritt auch hier deutlich spürbar und das obwohl die Mieten hier noch bezahlbar sind! Natürlich sieht es nicht überall gleich komfortabel aus. Es gibt auch noch die Gebäude, an denen nichts, aber auch garnichts gemacht wurde. Nur dass statt der Kohleheizung nun Gasöfen in den Zimmern stehen haben. Aber durch die alten Fenster pfeift der Wind so kalt wie eh und je. Dort wohnen die Leute, die sich garnichts anderes leisten können und selbst über bautechnische Errungenschaften aus dem Ende der 50er Jahre noch heilfroh sind! Sozialer Wohnungsbau war eben nie Luxuswohnungsbau und damit für sogenannte Investoren auch völlig uninteressant.

Tief in meinem Inneren fühlte ich immer jenen Schmerz, der mich ergriffen hat, als meine Eltern 1973 mit uns Kindern fortgezogen sind, weil sie sich endlich ein eigenes kleines Häuschen leisten konnten und nicht länger in unserer 3-Zimmer-Sozialwohnung leben wollten, in der ich mir mit zwei Schwestern ein Kinderzimmer teilen durfte/musste. Dabei ging es uns noch gut. Unsere Nachbarn, fromme Katholiken, und dementsprechend fruchtbar und sich ständig vermehrend, hatten 5 Kinder und die Wohnung war auch nur so groß wie die unsere!

Meine eigenen Kinder sind zum großen Teil aus dem Haus. Eine Tochter wohnt mit der Enkelin in unmittelbarer Nähe und ich habe durch einen glücklichen Zufall, oder soll ich sagen durch eine glückliche Fügung eine schnucklige 3-Zimmer-Wohnung recht nahe bei meinem früheren Zuhause bekommen.

Wohnblock in Karlsruhe Waldstadt, Königsberger Str. 4, Foto: A. Ohlmeyer

Wohnblock in Karlsruhe Waldstadt, Königsberger Str. 4, Foto: A. Ohlmeyer

Dort, wo früher in jeder Straße eine Ladenzeile war, gibt es kaum noch Geschäfte. Dafür versuchen hier etliche Läden mit den Bedürfnisssen der Alten Geschäfte zu machen, obwohl die finanzielle Decke der meisten hier Lebenden nicht besonders dick sein dürfte. Hier lebten immer recht einfache Leute. Die es sich leisten konnten, zogen so bald wie möglich wieder weg von hier. Der Rest blieb und wurde alt. Naja, zwei Straßen weiter gibt es noch einen Bäcker und in der Nachbarstraße hat sich ein Discounter breit gemacht, damit sich die Leute mit Schnaps und ein paar Lebensmitteln eindecken können. Eine Pizzeria gibt es hier bei uns und in der andern Richtung zwei Straßen weiter sogar einen Dönerschuppen. Es ist also fast alles da, was man braucht um sich gepflegt mangel- und fehlzuernähren, wie man heute so schön zu sagen pflegt.

Die Autos sind dicker geworden seit damals. Das ist schon auffällig. Selbst im Süden des Stadtviertels, dort wo man früher einen sogenannten sozialen Brennpunkt lokalosierte (und den es aus irgend welchen unerfindlichen Gründen auch heute noch zu geben scheint) stehen relativ teure Autos in den Parklücken vor den Wohnblöcken. Früher, in den Sechzigern waren es vor allem VW Käfer, DKW, Opel und Ford, dazu eine Menge Messerschmitt Kabinenroller, Lloyd, und Heinkel Tourist, sowie Quickly von NSU und einige Hummeln von DKW. Heute stehen hier Mercedes, VW Passat, viele Japaner und ein paar Franzosen, aber alles relativ neu und nur wenige älter als zehn Jahre oder so.

Die Zeiten haben sich wirklich geändert. Es ist ein bisschen weniger Leben vorhanden. Aber das kann an dem ekligen feuchten und ungemütlichen Dezemberwetter mit ständig wechselnden Temperaturen liegen, vermutlich ist´s dem Klimawandel geschuldet und ich mag mich auch nicht wirklich beklagen. Mal sehen, wie sich das Leben hier im Frühjahr und Sommer entwickelt. Auf jeden Fall stelle ich mir den Sommer unter den hohen Laub- und Nadelbäumen, also quasi mitten im Wald, deutlich angenehmer und entspannter vor als die letzten Jahre direkt unter der sengenden Sonne und dem schrägen Dach meiner letzten erbärmlichen Behausung…

Ich werde weiter berichten vom Leben hier in der Karlsruher Waldstadt und von den Dingen, die ich hier noch so aus meinen Kinder- und Jugendzeiten finden und fotografieren kann.