Urlaub im Wirtschaftswunder

Wenn das Wetter so ist wie heute, wenn also die Sonne strahlt und der Himmel blau ist und die Temperatur in einem Bereich jenseits der 25° C liegt, wenn man schwitzt und einem der Schweiß in Strömen den Rücken hinunter läuft, dann fällt es einem nicht besonders schwer den Schluß zu ziehen, dass es eigentlich Zeit für einen ausgiebigen, längeren Urlaub sein müsste. Das war im Wirtschaftswunder nicht viel anders. Außer, dass man sehr wahrscheinlich nicht so viel Urlaub zur Verfügung hatte, wie das heutzutage für gewöhnlich der Fall ist. Jedenfalls was Menschen betrifft, die in der glücklichen Situation sind, einen Arbeitsplatz zu besitzen, dessen Arbeitsbedingungen tarifvertraglich halbwegs akzeptabel geregelt sind. Damals war das nicht so. Da hatte man vielleicht drei Wochen Urlaubsanspruch, wenn überhaupt. Und die wollte man genießen. Im Süden. In der Sonne Italiens, Südfrankreichs, oder auch Spaniens.  Wir müssen uns allerdings vor Augen führen, dass es in den 50er bis 60er Jahren und auch noch weit in die 70er Jahre hinein, eher unüblich war, einen organisierten Urlaub im Stile von “All-inklusive” zu buchen und dann irgendwo hin zu jetten mit nicht viel mehr, als einer Reisetasche mit mehreren Ersatz T-Shirts und zwei Unterhosen, im Gepäck. Die Tourismusbranche war praktische noch nicht erfunden. Hotelburgen, die über dutzende von Kilometern hinweg die Strände verunzierten, gab es auch noch nicht. Es war schon eine Menge Eigeninitiative gefragt, wenn man verreisen wollte. Ein großer Teil der deutschen Wirtschaftswunderbürger verbrachte seine Ferien sowieso in heimatlichen Gefilden, also in Deutschland. Man reiste in die Alpen, um zu wandern, oder in den Schwarzwald und den Harz. Andere, die mehr auf Meer standen, entschieden sich für die Nord- oder die Ostsee. Dort konnte man sich herrlich entspannen und auch mal die Füße ins dezent nahe dem Gefrierpunkt herum rauschende Wasser tauchen.

Messerschmitt Kabinenroller, damit fuhren Leute in den 50er und 60er Jahren über die Alpen bis nach Italien, Fotos: A. Ohlmeyer

Messerschmitt Kabinenroller, damit fuhren Leute in den 50er und 60er Jahren über die Alpen bis nach Italien, Fotos: A. Ohlmeyer

VW Käfer mit beladenem Dachgepäckträger, fertig zum Start in den Urlaub in den 50er und 60er Jahren, Fotos: A. Ohlmeyer

VW Käfer mit beladenem Dachgepäckträger, fertig zum Start in den Urlaub in den 50er und 60er Jahren, Fotos: A. Ohlmeyer

Ab der Mitte der sechziger Jahre wurde es dann üblich, nach Süden zu reisen. Wer kein eigenes Fahrzeug besaß, oder sich die Ochsentour, beispielsweise über den Brenner, nicht zutraute, konnte mit dem Zug fahren. Oder er vertraute sich und die Familie und die kostbarsten Tage des Jahres, einem Busfahrer an, der sein Gefährt im Auftrag eines Reisebüros in den Süden lenkte. Problematisch war dabei immer das Gepäck. Da der Stauraum in Bus und Bahn eher begrenzt, die Zahl der Mitreisenden dafür aber umso größer war, musste man sich eben ein wenig einschränken. Aber nicht nur da. Auch wer auf eigener Achse den Weg in den Süden suchte, unter zuhilfenahme einer möglichst aktuellen Straßenkarte, der musste sich immer mit den Platzverhältnissen in seinem motorsierten Gefährt beschäftigen. Denn je nachdem, was für ein Fahrzeug man sich leisten konnte, war auch hier ein gewissen Maß an Zurückhaltung geboten. Menschen, die zu zweit unterwegs waren, konnten sich vielleicht einen Kabinenroller leisten, oder auch nur einen Motorroller. Da war nicht viel Platz, an dem man sein Gepäck verstauen konnte. Der Motorroller verfügte über einen Gepäckträger und ein klein wenig Platz in einem Rucksack und, wenn es sich um einen Heinkel Tourist handelte, einen weiteren kleinen Gepäckträger vor dem Lenker über dem Scheinwerfer. Den Kabinenroller konnte man mit etlichen kleineren Gepäckstücken ausstopfen und auf der Heckklappe, unter der sich der winzige Zweitaktmotor verbarg, montierten viele Reisende einen Gepäckträger, auf dem man ein zusätzlichen Köfferchen befestigen konnte. Da war gute Planung angesagt, denn wer konnte es sich damals schon leisten, im Urlaub jeden Tag in irgendeinem Restaurant zu abend zu essen, mittags ebenfalls irgendwo eine warme Mahlzeit zu sich zu nehmen, ganz zu schweigen vom Frühstück. Das alles kostet Geld. Geld, dass die meisten einfach nicht besaßen, bei den damals üblichen Monatslöhnen. Also musste ein kleines Zweimannzelt (eine sogenannte Dackelgarage!) mit und ein Gas- oder Petroleumkocher, nebst Kochgeschirr, um sich selbst versorgen zu können. Ein paar Kleidungsstücke, auch etwas wärmere Teile, falls das Wetter nicht den Erwartungen entsprechen sollte, waren auch immer dabei. So bepackt, ging es über hunderte, ja tausende von Kilometer in den Süden, der Sonne entgegen. Die Vorfreude war enorm, die Erwartungen hoch und der Traum vom Urlaub rückte mit jeder Stunde, die die Fahrt dauerte, näher. Man muss sich das wirklich einmal vorstellen. Zwei Menschen, eingepfercht in eine rollende Käseglocke namens Kabinenroller, oder auf einem Motorroller, beide kaum mehr als 80 km/h schnell – in unbeladenem Zustand – und dann, erst über die bundesdeutschen Straßen bis an die Alpen, dann über die Alpen hinüber (meist über den Brenner), dann weiter durch Nord- und Mittelitalien, bis ans Ziel der Wünsche, die Adria, die Insel Capri, den Golf von Neapel oder was weiß ich, wohin noch überall. Das war zweifellos eine echte Tortur. Wer das überstand, bei den damaligen Straßenverhältnissen (ein gut Teil der Alpenpässe war noch nicht einmal mit einer Asphaltschicht versehen, der war wirklich am Ziel seiner Träume angelangt.

Wohnwagen Eriba Pan 1967, so luxuriös könnte man in den 60er Jahren schon reisen, Fotos: A. Ohlmeyer

Wohnwagen Eriba Pan 1967, so luxuriös könnte man in den 60er Jahren schon reisen, Fotos: A. Ohlmeyer

Wohnwagen Eriba Pan 1967, bequeme Sitzecke mit versenkbarem Tisch und den zeittypischen "Paradekissen", Fotos: A. Ohlmeyer

Wohnwagen Eriba Pan 1967, bequeme Sitzecke mit versenkbarem Tisch und den zeittypischen “Paradekissen”, Fotos: A. Ohlmeyer

Die etwas besser gestellten Menschen besaßen damals schon ein Auto, ein echtes Auto, mit vier Rädern und einem festen Dach über dem Kopf. Einen VW Käfer zum Beispiel. Zwar noch mit einem Brezelfenster im Heck, oder einem ovalen Heckfenster, aber immerhin. Vielleicht fuhr man auch einen Lloyd (genau der, der immer am Berg steht und heult, wie man damals schonungslos zu lästern pflegte), einen Ford 12m, einen Opel Olympia? An die größeren Fahrzeuge konnte man sogar einen Anhänger hängen, vielleicht sogar einen Wohnwagen. Die allermeisten aber machten aus ihrem Auto einen Packesel. Der Kofferraum wurde bis zum Anschlag vollgestopft mit Taschen und Koffern. Dann wurde der Dachgepäckträger mit Koffern beladen, diese mit Schnur befestigt und fertig war der Reisewagen für die große Tour. Drinnen saßen die Eltern auf den Vordersitzen, hinten die Kinderchen, oft Stücker zwei oder drei. Niemand war angeschnallt. Alles sprang und tobte durcheinander und hoffte, dass nichts passierte unterwegs.

Wohnwagen Eriba Pan 1967, Küchenblock mit Gasherd, Kühlschrank vorne rechts und Heizung unter dem Schrank, Fotos: A. Ohlmeyer

Wohnwagen Eriba Pan 1967, Küchenblock mit Gasherd, Kühlschrank vorne rechts und Heizung unter dem Schrank, Fotos: A. Ohlmeyer

Wer einen Wohnwagen besaß, meist waren das faltbare Wohnwagen in der Art, dass man das Dach aufstellen konnte, um Stehhöhe zu erlangen. Teiweise konnte man die Wände herausziehen um Platz zu gewinnen, wenn man auf einem Campingplatz einen Stellplatz ergattern konnte. Die Innenausstattung war eher bescheiden, wenn man es mit heutigen Campingmobilen, oder Wohnwagen vergleicht. An eine Toilette, oder Dusche im Wohnwagen war nicht zu denken. Sie waren einfach zu klein und man musste Gewicht sparen. Die als Zugmaschinen vorgesehenen Automobile waren noch ziemlich schwachbrüstig. Also musste das Gewicht der Wohnwagen entsprechend gering sein. Am beliebtesten waren die Faltwohnwagen, die man sogar hinter einen Fiat 500 hängen konnte. Sie waren meist etwas breiter als ein gewöhnlicher Anhänger und nicht viel höher als einen halben Meter. Stand man auf einem Campingplatz, klappte man das Teil auseinander. Das Dach nach oben, das Heck wurde heraus gezogen, Die Wände aufgeklappt, teils aus Holz, teils aus Zeltstoff. Es gab winzige Waschbecken, ein- oder zweiflammige Gaskocher zum Zubereiten der Mahlzeiten. Gelegentlich war sogar ein Kühlschrank, oder eine Kühlbox eingebaut. Siztecke, versenkbarer Tisch, aus denen man eine Liegewiese bauen konnte, wenn man schlafen gehen wollte, rundeten die Ausstattung ab. Ein Schränkchen, ein Kanister mit Wasser, ein Picknickkorb. Mehr brauchte es nicht, um glücklich zu sein.

Wohnwagen Dethleffs Tourist 1955, aufstellbares Dach, Fotos: A. Ohlmeyer

Wohnwagen Dethleffs Tourist 1955, aufstellbares Dach, Fotos: A. Ohlmeyer

Wohnwagen Dethleffs Tourist 1955, Sitzecke mit Heizung,, Fotos: A. Ohlmeyer

Wohnwagen Dethleffs Tourist 1955, Sitzecke mit Heizung, Fotos: A. Ohlmeyer

Wohnwagen Dethleffs Tourist 1955, Küchenzeile, mit Elektrokochfeld mit zwei Platten, Waschbecken und entzückendem Wasserhahn. man beachte den Toaster auf der Küchenablage,, Fotos: A. Ohlmeyer

Wohnwagen Dethleffs Tourist 1955, Küchenzeile, mit Elektrokochfeld mit zwei Platten, Waschbecken und entzückendem Wasserhahn. man beachte den Toaster auf der Küchenablage, Fotos: A. Ohlmeyer

Schaut man sich die Ausstattungen heutiger Wohnwagen an, muss man sich schon die Augen reiben. Natürlich braucht der Mensch von heute wesentlich mehr, als die Leute damals. Man hatte ja auch wesentlich weniger Ansprüche. Das ist heute anders. Alles, absolut alles ist heute ein Statussymbol, mit dem man sich und seiner Umwelt zeigen muss,m zu was man es gebracht hat, selbst wenn man es garnicht bezahlt hat. “Gelobt” seien Leasing- und Ratenzahlungsverträge. Ein Reisemobil ohne WC und Dusche? Undenkbar! Kein Fernseher an Bord? Ja scheiß doch die Wand an! Wie war man in den 50er und 60er Jahren doch so schön bescheiden. Jedenfalls meistens. Oder wenigstens manchmal. Denn auch damals zeigte man gern, was man hat. Mit solchen Voraussetzungen war ein abenteuerlicher Urlaub garantiert, von dem man das ganze restliche Jahr zehren konnte, bis es einen wieder in den Süden zog.

Faltwohnwagen, Sitzecke, Fotos: A. Ohlmeyer

Faltwohnwagen, Sitzecke, Fotos: A. Ohlmeyer

Faltwohnwagen, Sitzecke mit seitlicher Ablage, man beachte das wunderschöne Philipps Phileta Röhrenradio aus den 50er Jahren, Fotos: A. Ohlmeyer

Faltwohnwagen, Sitzecke mit seitlicher Ablage, man beachte das wunderschöne Philipps Phileta Röhrenradio aus den 50er Jahren, Fotos: A. Ohlmeyer

Faltwohnwagen, Küchenblock mit Elektrokochfeld mit zwei Platten und Waschbecken, Fotos: A. Ohlmeyer

Faltwohnwagen, Küchenblock mit Elektrokochfeld mit zwei Platten und Waschbecken, Fotos: A. Ohlmeyer

Wieder andere Menschenbesaßen zwar ein “echtes” Automobil, aber keinen Wohnwagen und sie waren auch nicht bereit, ihr Dach mit einem Dachgepäckträger zu verunstalten und so den Luftwiderstand enorm zu erhöhen und damit den Spritverbrauch. Also entschieden sie sich für einen Hänger, in dem sie ihr Urlaubsgepäck vertauten und so im Innenraum ihres Autos nur unwesentliche Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Oder die Familie war damals so zahlreich, dass der kleine Anhänger notwendig war, um alles was nötig war auch mitnehmen zu können. Wenn ich mich selbst erinnere, wie ich mit meinen Eltern in den frühen sechziger Jahren in den Urlaub fuhr, im Opel Kadett A, dann hatte ich danals und habe es auch bis heute, das unbestimmte Gefühl, wir hätten damals stets den kompletten Hausstand mit in den Urlaub genommen. Bettzeug, Kleidung, Bügeleisen, ein paar Ersatzteile für das Auto, ja sogar Kühlflüssigkeit für den Notfall. Ein 20-Liter-Blechkanister mit gutem deutschen Superbenzin, damit man unterwegs möglichst nicht tanken musste, bevor man das Ziel im österreichsichen Kärnten erreicht hatte, Spielzeug, Badesachen, Lebensmittel (ja wirklich!), eine Spielesammlung für schlechtes Wetter. Das Kofferradio vom regal im Wohnzimmer, das meine Mutter während unserer Ferienfahrten immer zwischen den Knien halten musste, damit Papa nachrichtentechnisch immer auf dem Laufenden war und sich mit Musik bedudeln lassen konnte.

Westfalia Gepäckanhänger aus den 50er Jahren, Fotos: A. Ohlmeyer

Westfalia Gepäckanhänger aus den 50er Jahren,  ein extra Kofferraum auf Rädern, Fotos: A. Ohlmeyer

Und wieder ein Salzstangenspender…

…ist mir bei der Treibjagd auf dem Flohmarkt in die Hände gefallen. Es handelt sich um ein recht ungewöhnliches Exemplar und ich habe es für einen wirklich sehr humanen Preis erstanden. Für gewöhnlich stehe ich bei der Nennung einer Summe meist kurz vor dem Herzinfarkt. Aber der Anbieter diese Prachtstücks nannte eine Zahl, bei der ich sogar ein richtig schlechtes Gewissen gehabt hätte, wenn ich auch noch darum gefeilscht hätte. Also bedanke ich mich und freue mich, meiner Salzstangenspender-Sammlung ein weiteres wundervolles Exponat hinzufügen zu können.

Salzstangenspender, etwa 1958/59; Foto: A. Ohlmeyer

Salzstangenspender, etwa 1958/59; Foto: A. Ohlmeyer

Es gibt, wie man sieht, unwahrscheinlich viele Variationen ein und desselben Themas. Charakteristisch aber scheint für alle die Verwendung des goldfarbigen 2-3 mm starken Drahtes zu sein. Sie werden so geformt, dass eine Halterung entsteht, in der ein, meist farbiges, Gläschen zur Aufnahme der Salzstangen eingesetzt werden kann. Auch die Verwendung von Lochblechen habe ich schon in der ein oder anderen Form gesehen. Allerdings ist dieses Exemplar hier das Erste, bei dem der Behälter für die Salzstangen…

Salzstangenspender, etwa 1958/59; Foto: A. Ohlmeyer

Salzstangenspender, etwa 1958/59; Foto: A. Ohlmeyer

aus eben diesem Lochblech entstanden ist – in Form einer Eistüte. Darüber befindet sich ein Bügelchen aus dem goldenen Draht, an dem man das Accessoir herumtragen kann. Das Jahr verspricht angesichts eines solchen Fundes noch recht spannend zu werden.

Salzstangenspender, etwa 1958/59; Foto: A. Ohlmeyer

Salzstangenspender, etwa 1958/59; Foto: A. Ohlmeyer

Es gibt in meinen Augen nur sehr wenige Dinge, die so in die Zeit des Wirtschaftswunders passen und diese Zeit so treffend charakterisieren, wie das ein Salzstangenspender tut. Außer vielleicht die Wandmasken von Cortendorf, oder die Wandvasen, die man sich früher an die Wände zu hängen pflegte. Auch die kenne ich noch aus meiner Kindheit. Allerdings habe ich noch nie ein solches Väschen gesehen, in das jemand eine Blume hineingesteckt hätte. Warum auch immer.Ich hoffe, Euch gefällt mein Salzstangenspender genauso gut wie mir. Wenn nicht, macht es auch nichts. Jedem Tierchen sein Pläsierchen, pflegt meine Mutter immer zu sagen und dem ist nichts hinzu zu fügen.

Wer erfand die Currywurst?

Die Currywurst wurde in Deutschland erfunden! In Berlin! In einem Imbiss an der Ecke Kantstraße/Kaiser-Friedrich-Straße und zwar von der guten Herta Heuwer! So sagt man! Es war der 4. September des Jahres 1949, als die Currywurst das Licht der Welt erblickte und ihren Siegeszug rund um die Welt, zumindest aber durch Deutschland, antrat. So steht es jedenfalls auf einer Gedenktafel, die man zu Ehren Herta Heuwers im Jahre 2003 am einstigen Standort ihrer Imbissbude angebracht hat. Aber so ganz genau weiss man es natürlich nicht. Denn die Ehre, des Deutschen liebstes Fastfood erfunden und damit die Adipositas und die Herzverfettung gesellschaftsfähig gemacht zu haben, würden gern auch andere für sich in Anspruch nehmen. Zum Beispiel in Hamburg. Aber das spielt letztendlich überhaupt keine Rolle. Der Herzinfarkt in der Pappschale ist auch heute noch en vogue.

Currywurst war besonders in der Zeit des Wirtschaftswunders ein sehr beliebter Snack für zwischendurch, ersetzte aber auch eine ganze Mahlzeit, wenn es sein musste. Fastfood auf deutsch also, denn die Würste, aus denen man die Currywurst “zauberte” bestanden zu einem großen Teil aus nichts anderem als Fett. Dazu die Sauce, angereichert mit Currypulver aus was auch immer und fertig ist die ungesunde Schnellfressmahlzeit für wenig Geld! Dazu ein altes, weiches Brötchen, mehr war nicht nötig, um den einfachen Deutschen glücklich und halbwegs satt zu machen. Dazu ein kleines Bierchen aus der Pulle, Herz, was willst Du mehr?

Die Imbissbuden schossen damals wie Pilze aus dem Boden und überall konnte man, regional ein wenig variierend, die obligatorische Currywurst kaufen. Heute findet man nur noch wenige Wurstbuden, am ehesten noch auf der Mess´, der Kerwe, oder dem Rummelplatz. In den Innenstädten wurde die Currywurst in einem brutalen Verdrängungswettbewerb vom Döner verdrängt! Wo früher kleine Eckkneipen waren, gibt es heute Dönerläden. Und ich habe nichts gegen Döner. Nur nicht überall und jeden Tag. Wo früher Currywurst zu haben war, als kulinarischer Höhepunkt, gibt es jetzt Döner im Fladenbrot oder als Yufka. Den edlen Duft einer in die Fritteuse geschmissenen Currywurst und der dazugehörenden Ingredienzien, wie Ketchup und Currypulver, findet man heutzutage nur noch äußerst selten. Mit einer Ausnahme – seit einigen Jahren gibt es Currywurstbuden, an denen man sich mit extrem scharfen Saucen profilieren kann. Vorausgesetzt, man hat jemanden dabei, der den Defibrilator bedienen kann, wenn es einem die Luft abgedreht hat. Und so muss ich mich immer mal wieder fragen:”Wo ist nur die Zeit geblieben?” Aber eine Antwort darauf, die hab ich bis heute nicht gefunden…

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Freddy Quinn – Der Junge von St. Pauli

Einer der bekanntesten Künstler des Wirtschaftswunders war der Sänger und Schauspieler Freddy Quinn, der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst ein bewegtes und unstetes Leben geführt hatte, wie so viel andere Menschen auch in jener Zeit, die das Schicksal irgendwohin verschlagen hatte. 1931 in Wien geboren, war Freddy Quinn, der sehr sprachbegabt war, bereits kurz nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht in die USA gereist, um seinen Vater aufzusuchen, der sich in den USA niedergelassen hatte. Da der aber bereits 1943 nach einem Unfall verstorben war, schickte man ihn zurück nach Europa, wo er zunächst wieder in Wien lebte, aber bald darauf Südeuropa und Nordafrika bereiste. Er arbeitete als Zirkusartist und als Musiker und wurde im Jahr 1954 in Hamburg von Talentsuchern entdeckt.

1956 veröffentlichte er seine Schallplatte bei Polydor mit den Titeln “Sie hieß Mary Anne” auf der “A”-Seite und “Heimweh” auf der “B”-Seite. Diese “B”-Seite wurde sein erster Nummer-1-Hit in Deutschland. Bis 1966 hatte Freddy Quinn 9 weitere Titel auf Platz 1 der deutschen Hitparade gebracht darunter “Heimatlos”, “Der Legionär”, “Die Gitarre und das Meer”, “Unter fremden Sternen”, “La Paloma”, “Junge, komm bald wieder” und “100 Mann und ein Befehl”.

Freddy Quinn, La Guitarra Brasiliana, 7"Single, Polydor, Foto: A. Ohlmeyer

Freddy Quinn, La Guitarra Brasiliana, 7″-Single, Polydor, Foto: A. Ohlmeyer

Seine Lieder handelten meist von Fernweh, Heimweh, Sehnsucht, Einsamkeit und dergleichen. Damit kam er bei seinem Publikum sehr gut an, die noch Jahrzehnte an den Kriegserlebnissen und unter der Vertreibung aus der Heimat zu kauen hatten und seine melancholischen Stücke sehr schätzten. Daneben trat Freddy Quinn auch immer wieder in Filmen auf, in der Regel Musikfilmen, die nicht nur seinen Namen im Titel trugen, sondern ihm auch auf den Leib geschrieben waren. Darüber hinaus sang er das ein oder andere Liedchen dazu, was sich nicht schlecht auf die Plattenverkäufe ausgewirkt haben dürfte. Die Filme waren damals im Kino echte Kassenschlager, obwohl nicht nur die Story reichlich dünn war, sondern auch Freddy Quinns schauspielerisches Talent mit dem Charisma eines hölzernen Bengeles vergleichbar war. Jedenfalls nach meinen persönlichen Massstäben.

Freddy Quinn, Weit ist der Weg, 7"Single, Polydor, Foto: A. Ohlmeyer

Freddy Quinn, Weit ist der Weg, 7″-Single, Polydor, Foto: A. Ohlmeyer

Dennoch lässt es sich nicht verleugnen, dass Freddy Quinn damals als der Traum jeder potenziellen Schwiegermutter galt. Und auch die Mädels schmachteten dem Freddy hinterher. Soweit ich weiss, ist er zwar nie verheiratet gewesen, war aber mit seiner “Managerin” Lilli Blessmann liiert, bis diese 2008 starb.

Freddy Quinn, Unter fremden Sternen, 7"Single, Polydor, Foto: A. Ohlmeyer

Freddy Quinn, Unter fremden Sternen, 7″-Single, Polydor, Foto: A. Ohlmeyer

Natürlich war und bin auch ich bis heute ein Fan von Freddy Quinn und seinen Platten, besonders die frühen Singles, sind Prunkstücke meiner wachsenden Vinyl-Sammlung. Dafür bin ich auch gerne bereit den ein oder anderen Euro hin zu legen. UNd das muss man auch, wenn man Qualität bei knapp 60 Jahre alten Platten erwartet und nicht nur Rauschen aus der Box hören will.

Ich erinnere mich gut, wie ich damals immer vor dem alten Röhrenradio gesessen habe und der Musik lauschte. Wenn Freddy Quinn zu hören war, und das war recht oft, sang ich stets aus vollem Halse mit. Auch seine Filme ließ ich mir nicht entgehen…

  • 1958: Heimatlos
  • 1959: Freddy, die Gitarre und das Meer
  • 1959: Freddy unter fremden Sternen
  • 1960: Freddy und die Melodie der Nacht
  • 1960: Weit ist der Weg
  • 1961: Nur der Wind
  • 1961: Freddy und der Millionär
  • 1962: Freddy und das Lied der Südsee
  • 1963: Heimweh nach St. Pauli
  • 1964: Freddy und das Lied der Prärie
  • 1964: Freddy, Tiere, Sensationen

…um hier nur die bekanntesten zu nennen. Bisweilen laufen sie auch heute noch im Fernsehen und sind sicher immer noch gern gesehen von den älteren Semestern. Da spielt es auch keine Rolle, dass Freddy Quinn 2004 wegen Steuerhinterziehung zu 2 Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt wurde, die er vermutlich aus seiner Brieftasche bezahlt haben dürfte. Aber das macht ihn zu keinem schlechteren oder besseren Menschen, als die meisten anderen Angehörigen des Establishments, wo das Vorenthalten von Steuern zum guten Ton zählt und sicher nichts auch nur annähernd Ehrenrühriges wäre.

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Opel (Olympia) Rekord P1

Als Gegenstück zu dem gestern präsentierten Ford P2, möchte ich euch heute gerne den Opel (Olympia) Rekord P1 vorstellen. Er wurde in dieser Form ebenfalls von 1957 – 60 gebaut und besaß, ganz anders als der erwähnte Ford, vorne und hinten eine sogenannte Panoramascheibe. Diese Scheiben zogen sich um die Ecken des Fahrgastraumes herum und ermöglichten so eine bessere Rundumsicht. Andererseits sollten sie, so geht die Legende, die Ursache für schwerste Knieverletzungen sein, wenn man beim Einsteigen – wie auch immer das gehen sollte – mit dem Knie gegen die Kante stieß, die an der unteren Ecke der Windschutzscheibe jeweils in den Türausschnitt hinein ragte, wenn man die vorderen Türen öffnete. Ich habe das mal versucht. Bei einem Treffen bat ich den Besitzer eines solchen Prachtstücks, mir einmal den Einstieg in diesen Wagen zu Testzwecken zu gestatten. Es war mir nicht möglich, die Kritik an der Panoramascheibe nachzuvollziehen. Vielleicht hätte ich mir ja auch das Knie zerschmettert, wenn ich beim Einsteigen dasselbe bis in Augenhöhe hinauf gezogen hätte. Aber wer, bitteschön, steigt so in sein Auto ein? Eben, kein Schwein!

Opel Rekord P1, Bj. Limousine 2-türig, 1957-60, Foto: A. Ohlmeyer

Opel Rekord P1, Bj. Limousine 2-türig in schicker Zweifarblackierung dunkelblau mit weißem Dach, 1957-60, Foto: A. Ohlmeyer

Das Fahrwerk des Opel Rekord P1 sorgte dafür, dass man sich beim Kreuzen auf unebenen Landstraßen fühlen konnte, wie in einer Schiffsschaukel. Aber wir müssen berücksichtigen, dass der Zustand der Straßen damals als durchaus zweifelhaft zu bezeichnen war. Grobe Unebenheiten und Schlaglöcher musste die Federung kompensieren. Da es sich auch bei diesem Mittelklasse-Opel um einen Straßenkreuzer im Westentaschenformat handelte, wenn man ihn mit den gigantischen Vorbildern aus den Staaten vergleicht und die Amerikaner großen Wert auf Komfort legten, wobei man die Gleichung Komfort = weiche Federung aufmachen konnte, machte der Rekord alles richtig.

Opel Rekord P1, Bj. Limousine 2-türig, 1957-60, Foto: A. Ohlmeyer

Opel Rekord P1, Bj. Limousine 2-türig, Zweifarblackierung auf dem Dach und an den Seiten, 1957-60, Foto: A. Ohlmeyer

Im Gegensatz zum Barocktaunus, kam der Opel Rekord richtig modern daher, ohne aber avantgardistisch zu wirken. Er war ein solides Auto, komfortabel und mit viel Platz sowohl im Innenraum, als auch im Kofferraum. Eine Familie mit mehreren Kindern konnte dort locker ihr gesamtes Urlaubsgepäck unter bringen. Der Reise nach Süden, über die Alpen  und in den Urlaub, stand mit einem solchen Wagen sicher nichts mehr im Wege. Der Rekord wurde vom Anfang seiner Produktionszeit mit drei Motorenvarianten angeboten, nämlich dem 1200 (1957-60 mit 40 PS), dem 1500 (1957-59 45 PS, ab 1959 50 PS) und dem 1700 (55 PS ab 1959-60). Auch gab es verschiedene Karosserievarianten. Die Limousine mit zwei oder vier Türen und den Kombi, der bei Opel traditionell CarAVan hieß.

Opel Rekord P1, Bj. Limousine 2-türig, 1957-60, Foto: A. Ohlmeyer

Opel Rekord P1, Bj. Limousine 2-türig, mit den im gotischen Stil geformten Rückleuchten und der zeitgenössischen und damals todschicken Fishtail-Auspuffblende, 1957-60, Foto: A. Ohlmeyer

Ein klein wenig nostalgisch sahen die im gotischen Stil geformten Rückleuchten des Opel (Olympia) Rekord P1 aber auch für die damalige Zeit schon aus. Das änderte sich aber bei der Überarbeitung der Modellreihe im Jahr 1960, der dann auch gleich noch die Panoramascheiben und der tief liegende Kühlergrill zum Opfer fielen.

Opel Rekord P1, Bj. Limousine 2-türig, 1957-60, Foto: A. Ohlmeyer

Opel Rekord P1, Bj. Limousine 2-türig, 1957-60, Foto: A. Ohlmeyer

Auf Oldtimertreffen kann man heutzutage deutlich mehr Exemplare des Opel (Olympia) Rekord P1 antreffen, als zum Beispiel den Ford P2 Barocktaunus. Vielleicht liegt das daran, dass von dem Opel in allen Ausführungen nahezu doppelt so viele Fahrzeuge verkauft wurden, wie von seinem direkten Konkurrenten bei Ford. Denn was die Rostvorsorge betrifft, dürfte die beim Opel ähnlich “aufwändig” gewesen sein, wie beim Ford, will heißen, es gab sie schlicht nicht. Wahrscheinlich spielte aber auch eine Rolle, dass der Ford P2 Barocktaunus schon nach wenigen Jahren richtig altmodisch wirkte, was auf das Styling im Gelsenkirchener Barock zurück zu führen war. Der Opel jedoch blieb bis weit in die sechziger Jahre hinein ein relativ modernes und komfortables Auto. Das half vielen erhaltenen Exemplaren wohl bis heute zu überleben.

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Der Ford 17m Barocktaunus

Im Jahr 1957 brachte Ford Deutschland sein neues Modell P2 in der oberen Mittelklasse auf den bundesdeutschen Automobilmarkt, der massgeschneidert schien für die aufstrebende Mittelschicht im Wirtschaftswunder – den Ford 17m Barocktaunus, so genannt nach seiner schwellenden, barocken Formensprache. Man bezeichnete sie auch als Gelsenkirchener Barock, oder auch, angelehnt an die, den damaligen Straßenverhältnissen geschuldete, butterweiche Federung, als Fliegenden Teppich. Immerhin steckte er Unebenheiten und Schlaglöcher locker weg.

Ford Taunus 17m de Luxe, Bj. 57-59, der sogenannte Barocktaunus, in betörend schöner Zweifarblckierung, Foto: A. Ohlmeyer

Ford Taunus 17m de Luxe, Bj. 57-60, der sogenannte Barocktaunus, in betörend schöner Zweifarblckierung, Foto: A. Ohlmeyer

Der Motor besaß 1,7 Liter Hubraum, verteilt auf 4 Zylinder und leistete 60 PS. Entsprechend dem Zeitgeschmack hatte der 17m recht ansehnliche Heckflossen und darin eingelassen tropfenförmige Rückleuchten. Es gab ihn in mehreren Karosserievarianten, von der Limousine (2- und 4-türig), über den Kombi, bis hin zum schicken Cabriolet. Für die verwöhnteren, zahlungskräftigeren Kunden gab es die Ausführung “de Luxe” mit reichlich Chromschmuck und Brokatstoffen im Innenraum und Zweifarblackierung der Karosserie.

Ford Taunus 17m de Luxe, Bj. 57-59, der sogenannte Barocktaunus, in betörend schöner Zweifarblckierung, Foto: A. Ohlmeyer

Ford Taunus 17m de Luxe, Bj. 57-60, der sogenannte Barocktaunus, in betörend schöner Zweifarblckierung, Foto: A. Ohlmeyer

Der Ford 17m sieht aus wie eine Miniaturausgabe der mächtigen, chrombeladenen Straßenkreuzer in den Vereinigten Staaten. Auch das Fahrverhalten dürfte angesichts der blattgefederten Hinterachse recht abenteuerlich gewesen sein. Dazu kam eine Verzögerung durch vier Trommelbremsen, die schon bei mittleren Geschwindigkeiten reichlich grenzwertig gewesen sein dürfte. Wenn man sich vorstellt, wie viele Wirtschaftswunderbürger mit ihrem Barocktaunus auf der Fahrt in den wohl verdienten Urlaub damals vollbeladen die Alpenpässe überquert haben, kann man nur den Hut ziehen vor ihrem Mut. Aber man kannte ja nichts anderes. Ein VW Käfer oder ähnliche Fahrzeuge, hatten auch nicht mehr aufzubieten.

Ford Taunus 17m de Luxe, Bj. 57-59, der sogenannte Barocktaunus, in betörend schöner Zweifarblckierung, Foto: A. Ohlmeyer

Ford Taunus 17m de Luxe, Bj. 57-60, der sogenannte Barocktaunus, in betörend schöner Zweifarblckierung, Foto: A. Ohlmeyer

1960 wurde der Barocktaunus, nach einer leichten Überarbeitung 1959, vom P3, der legendären “Badewanne” abgelöst. Die harten Winter mit Unmengen an Streusalz in den 50er und 60er Jahren, sowie den nicht vorhandenen Rostschutz der damligen Zeit, haben so gut wie keine P2-Modelle überlebt. Sie wurden herunter geritten und gammelten den Zweit- oder Drittbesitzern meist unter dem Hintern weg. Deshalb sind die wenigen noch erhaltenen Exemplare heute echte und gesuchte Raritäten.

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Es ist alles ganz anders…

…heutzutage, aber das ist ja auch kein Wunder. Wir leben in einer „globalisierten“ und modernen Welt, die mit dem nicht zu vergleichen ist, was sich unseren erstaunten Augen bot, als wir das Licht dieser Welt erblickten. Das war, jedenfalls was mich betrifft, im Jahr 1960 der Fall.

Heute schreiben wir das Jahr 2015 und es ist, wenn wir es genau nehmen, nichts mehr so, wie es einmal war! Mein Vater ist gestorben, meine Mutter eine alte Dame geworden und ich selbst bin stolzer Opa und darüber hinaus mit einer Großmutter verheiratet. Als ich durch das, damals mit Vollgas laufende, Wirtschaftswunder zu stolpern begann, gab es keine Handys, erst recht keine Computer oder gar Schubabschaltung beim Auto, keine Spielkonsolen und MP3-Player mit abertausenden von Songs, die aus dem Internet herunter geladen worden waren (meist mehr oder weniger legal), lagen weit außerhalb dessen, was man sich damals vorzustellen vermochte. Man legte Platten auf und benutzte dazu einen Plattenspieler, den man an ein Radio stöpselte, damit man etwas hören konnte. Die Plattenspieler besaßen schließlich keine Lautsprecher (jedenfalls die billigeren nicht), oder gar einen eingebauten Receiver. also nahm man das Röhren- oder Kofferradio zur Hand, stöpselte die Chinchstecker in die dazugehörigen Buchsen und konnte dann loslegen. Besser betuchte Mitglieder der Wohlstandsgesellschaft besaßen durchaus schon so etwas, wie einen Plattenwechsler, damit man nicht immer nach etwa 1:30 bis 2:00 Minuten Spielzeit die schwarze Vinylscheibe wechseln musste. Ein mechanisches System sorgte dafür, dass man mehrere Schallplatten übereinander stapeln konnte, die dann einzeln auf den Plattenteller herunterfielen, und im Anschluss an die gerade abgenudelte Platte abgespielt wurde. Herum drehen musste man die Platten natürlich immer noch selber, denn dazu war der Plattenwechsler nicht in der Lage.

7" Vinyl Singleschallplatten mit Salzstangenspender, Foto: A. Ohlmeyer

7″ Vinyl Singleschallplatten mit Salzstangenspender, Foto: A. Ohlmeyer

Aber auch wir haben Partys gefeiert. Mit zehn, zwölf Jahren legten wir auf unsere Plattenspieler dann schon Langspielplatten und hatten so eine Weile Ruhe. Damals gab es keine Diskjockeys, die die Platten zerscratchten. Das übernahmen die Plattenspieler meist von ganz allein, wenn die Platten zerkratzt und die Nadel des Tonabnehmers schon reichlich abgenutzt war. Und es ging dennoch. Es reichte allemal, um mit der Auserkorenen einen Stehblues zu tanzen.

Dual Party 295 Kofferplattenspieler, ca. 1957/58, Foto: A. Ohlmeyer

Dual Party 295 Kofferplattenspieler, ca. 1957/58, Foto: A. Ohlmeyer

Fernsehen war noch schwarzweiß und die Sendezeit betrug noch nicht 24 Stunden täglich. Man hatte keine Auswahl zwischen 50 oder 60 Programmen, über deren Qualität man sich eigentlich nicht zu streiten braucht. Denn sie haben in der Regel keine! Das öffentlich-rechtliche Fernsehen nahm seinen Bildungsauftrag sehr ernst und sofort versuchte sich die Politik Einfluß zu verschaffen, indem sie sich in die Aufsichts- und Programmräte hinein drängte. Das Fernsehen hatte noch etwas von Improvisation. Es konnte zu Senderausfällen kommen und dann war eben zwanzig Minuten Ruhe angesagt. Man kannte die Gesichter auf der Mattscheibe und erfreute sich an Quizsendungen. Edgar-Wallace-Filme fegten die Straßen einer jeden Stadt buchstäblich leer. Und wenn das Indische Halstuch erneut zum Erdrosseln eines Opfers benutzt wurde, hielt das versammelte Publikum ebenfalls die Luft an!

Am Nachmittag liefen ein paar Kindersendungen. Zeichentrickfilmchen, Slapstick und dergleichen. Damit konnte man uns etwa eine Stunden vor dem Bildschirm festhalten. Davor und danach waren wir draußen an der Luft, spielten die Gangsterfilme in Wald und Flur nach und ansonsten trugen wir heftige Schlachten zwischen Cowboys und Indianern aus, denn jeder von uns hatte die Bücher von Karl May gelesen und wusste wie man Blutsbrüderschaft schloss! Auf jeden Fall war ein Messer notwendig. Und Blut! Kein Wetter konnte uns im Haus halten und wenn wir mal keine Lust hatten nach draußen zu gehen, weil die Kumpels vielleicht im Urlaub, oder sonstwie verhindert waren, dann jagte uns unsere Mutter hinaus auf den Spielplatz, damit wir nicht im Wege waren, wenn sie die Wohnung in Ordnung brachte!

Videospiele? Telefonieren? SMS ohne Sinn und verstand zu tausenden verschicken? No way. Wir schrieben Briefchen und deponierten sie in toten Briefkästen. Und damit nicht jeder finder unsere geheimen Nachrichten lesen und verstehen konnte, schrieben wir in Chiffren! Unsere Spiele liefen mit dem Betriebssystem, dass man Phantasie nannte und das heute nicht mehr sehr vielen Kindern bekannt ist! Und rings um uns tobte das Wirtschaftswunder. Alles war ein Abenteuer. Die ganze Welt war ein Abenteuerspielplatz. Heute ist die Welt ein Ding dass mit dem Leben nicht mehr viel zu tun hat. Manchmal muss man in die Welt hinaus gehen, um von einem abgeschlossenen Ort zum andern zu gelangen. Beispielsweise von der Wohnung zur Schule, zum Shopping-Center und dann wieder dorthin zurück, wo man sich am sicheren Monitor die Welt da draußen in 3D und sogar mit höherer Auflösung anschauen kann, als sie in Wirklichkeit ist!

Früher gab es kein ADHS. Es gab Kinder, die waren ein wenig phlegmatisch und es gab solche, die eine Spur lebhafter waren als andere Kinder. Heute stellt man sie ruhig, indem man sie mit Ritalin abfüllt und sie “therapiert”. Was für ein modernes Leben? Klar, modern, aber auch erstrebenswert? Kinder sind heute zu kleinen Erwachsenen verkommen. So wie es schon einmal im Mittelalter der Fall war. Man beginnt die lieben Kleinen bereits auf eine berufliche Karriere vorzubereiten, bevor sie noch den Kindergarten verlassen haben! Noch bevor irgendwer irgendeine Eignung festgestellt und sich die Charaktere heraus gebildet haben! Nicht ohne Grund hat man ja auch das Turbo-Abi eingeführt und das Gymnasium von 9 auf 8 Jahren verkürzt. Die Industrie braucht Arbeitskräfte. Willig sollen sie sein und vor allem billig. Willfährig ist natürlich noch viel besser und je länger sie der Wirtschaft arbeitstechnisch zur Verfügung stehen, desto besser ist es. Ein zwei Jahre früher ins Berufsleben eingestiegen und dafür ein paar Jahre länger gearbeitet, so entlastet man nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Rentenversicherung. Denn wer in seinem Leben gut und gerne 5 oder 10 Jahre länger arbeiten muss, als seine Altvorderen, der wird, davon können wir getrost ausgehen, sozialverträglich früher ableben – und das ist ja schließlich auch schon mal was!

Das sind nur ein paar Gründe, die mich in meinem Wunsch bestärken, wieder in den 50er und 60er Jahren leben zu wollen. Gleichwohl ist mir natürlich bewusst, dass das so nicht möglich ist. Aber ich bin nun in einem Alter, in dem ich mir das Recht dazu heraus nehmen kann, mich über die gegenwärtigen Zustände zu beschweren und mich nach der Vergangenheit, die mit zunehmendem zeitlichen Abstand freilich einen zunehmend güldenen Glanz erhält, bis sie irgendwann in einer wundervollen Gloriole erstrahlt, die sie der Realität zu entrücken scheint!

Versandhandel und Kaufhäuser im Wirtschaftswunder

1. Versandhandel

Den Versandhandel, also das Auswählen von Waren aus einem Katalog, die Bestellung derselben und die anschließende Lieferung der bestellten Waren nach Hause, sowie das Bezahlen bar (Nachnahme), per Überweisung, oder auch auf Ratenkredit, ist keine wirklich neue Erfindung und auch nicht erst in der Wirtschaftswunderzeit entstanden. So etwas gibt es schon wesentlich länger. Aber ihre Blütezeit erlebte diese Form des Handels in den Jahren zwischen 1950 und etwa 1985.
Schon zur Zeit der Weimarer Republik waren Versandhäuser wie Pilze aus dem Boden geschossen und sie bestanden auch nach dem Zweiten Weltkrieg fort, expandierten, oder wurden neu gegründet.
Aus vormals kleinen Versandhandelsunternehmen wurden im Laufe der Wirtschaftswunderjahre gigantische Konzerne mit teilweise zehntausenden von Mitarbeitern. Gerade in den Jahren und Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als die Einkommen noch sehr niedrig waren, aber die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen größer als die oft noch recht schmalen Geldbeutel, war es äußerst praktische, wenn man dringend notwendige Anschaffungen per Katalog und günstigem Kredit, dessen kleine Raten die Mutti fast unbemerkt aus dem streng eingeteilten Haushaltsgeld abzweigen konnte, ohne das es dem Herrn des Hauses auffiel, tätigen konnte.
Auch größere Güter, die immer dringender benötigt wurden, wie z. B. den ersten Kühlschrank, die erste Waschmaschine, vielleicht sogar solch unglaublichen Luxus wie einen Fernseher oder ein schickes Röhrenradio, konnte man auf diese Weise anschaffen. Und der Bedarf war ungeheuer groß! Der Wunschtraum von der gemütlichen Wohnung, mit schicker, moderner Einrichtung, war damals wie heute (wieder) ungebrochen und viele Menschen hatten ja in den Kriegsjahren und den harten Jahren nach der Kapitulation nahezu alles verloren.
Ich erinnere mich gut an meine Kindheit, wenn die Aufregung meiner Mutter wuchs weil die Ankunft des neuen Quelle-Katalogs anstand. Und wenn der Postbote das (in späteren Jahren ziemlich) schwere Teil endlich brachte, sassen wir alle am Abend um den Wohnzimmertisch herum, die Eltern in den beiden Cocktailsesseln, wir Kinder (meine Schwester und ich) auf dem Cannapé, das Röhrenradio spielte Schlager und wir betrachteten aufgeregt die Wunderwelt des Konsums und stellten uns vor, was wir uns alles kaufen würden, wenn wir nur das nötige Kleingeld dazu gehabt hätten.
Wir konnten uns nicht satt sehen und es war schon eine Freude, die Dinge, die wir uns nicht leisten konnten, wenigstens in Gedanken zu besitzen und sei es nur in Form eines großen, bunten Katalogs mit dem Namen Quelle vorne drauf!
Und der dicke Quellekatalog inspirierte uns natürlich immer beim Schreiben unserer Wunschzettel zu Weihnachten. Ja, wir wussten schon, dass wir uns wünschen konnten, was wir wollten. Das Christkind aber hatte meist ganz eigene Pläne und es orientierte sich immer am Einkommen unseres Vaters, der als junger Ingenieur anfangs nicht besonders üppig verdiente, aber letzten Endes waren wir immer zufriden mit unseren Geschenken, die zwar bescheiden ausfielen, aber von ganzem Herzen kamen und besonders unsere liebe Mutter hatte ein ganz großes Herz!
Irgendwann in den 90er Jahren begann das Versandhandelsgeschäft zu kriseln. Die Märkte waren gesättigt, ja übersättigt und die Menschen mussten nicht mehr jeden Pfennig so lange herum drehen bis daraus ein Kupferdraht geworden war, bevor sie ihn dann endlich ausgaben. Für ein Auto sparte man nicht mehr jahrelang, man leaste es, oder finanzierte es komplett, so dass es schließlich, wenn es einem endlich gehörte, rostzerfressen auseinader fiel, oder bereits zeitig, nach einem (natürlich „unverschuldeten“) Verkehrsunfall, den schweren Weg in die Schrottpresse antreten musste.
Die meisten großen Unternehmen verliessen sich auf eben ihre Größe und vergaßen es, sich dem Wandel der Zeiten anzupassen, sich mit neuen Vertriebswegen wie dem Internet auseinander zu setzen und mussten schließlich die Werkstore schließen. Ihren Inhabern aber ließ das keine grauen Haare wachsen, die hatten sich schon ihre Taschen gefüllt und saßen auf dicken finaziellen Polstern und Bankguthaben.
Das genaue Gegenteil traf auf die vielen Beschäftigten zu. Die verloren zu zehntausenden ihre Jobs und wurden in die Arbeitslosigkeit entlassen, ohne große Hoffnung je wieder einen ordentlichen Job zu kriegen. Spätestens das Ende des Wirtschaftswunders war auch der Anfang vom Ende so vieler bedeutender großer Unternehmen in allen möglichen Branchen. Heute stehen wir vor einer neuen Zeitenwende, vor einer beispiellosen Globalisierung von Handel, Dienstleistungen und Konzernen. Und denen geht es immer noch sehr gut.
Was uns kleinen Leuten aber heute einfach fehlt, ist ein neues Wirtschaftswunder – mehr als 40 Jahre nach dem Ende des letzten richtigen Wirtschaftswunders!
Besonders bekannt wurden in der Wirtschaftswunderzeit die Versandhandels-Unternehmen Otto (gegr. 1949 Hamburg), Quelle (gegr. 1927 in Fürth, war der Gigant unter den Versandhäusern), Neckermann (gegr. 1950 Frankfurt am Main), Bader (gegr. 1929 Pforzheim) und Heine (gegr. 1951 Karlsruhe, 1976 Übernahme durch Otto-Versand), Wenz (gegr. 1926), Klingel (gegr, 1920 Pforzheim), Baur (gegr. 1925 Burgkunstadt), Schöpflin (gegr. 1948 Lörrach) und Schwab (gegr. 1954 Hanau). Für alte Kataloge aus den 50er und 60er Jahren zahlen Sammler heute bereits erkleckliche Sümmchen und ehrlich gesagt, ich kann sie gut verstehen!

Ende der 90er Jahre wirkte das Konzept der Versandhäuser – auch vom gekünstelt wirkenden und wenig zeitgemäßen Internetauftritt her – nicht nur angestaubt, sondern geradezu verknöchert. Davon sprechen allein schon die biederen Markenlogos eine beredte Sprache. Man konnte isch des Eindrucks nicht erwehren, als seien Versandhäuser nur noch dazu da, um gebehinderte Senioren mit dem Krempel per Post zu versorgen, den sie sich in den ebenfalls abgehalfterten Kaufhäusern nicht mehr persönlich kaufen konnten. Und so orderten die treuen Rentner und -Innen eifrig Mieder, Stützstrumpfhosen, Konserven und Faltenröcke, nebst elektrisch angetriebenen Behindertefahrzeugen. Aber das reichte natürlich bei weitem nicht aus, um die Unternehmen in der vorhandenen Größe überleben zu lassen – und also kam das grausige Ende!

2. Kaufhäuser

Ein weiteres typisches Symbol des Wirtschaftswunders ist das gute alte Kaufhaus. Genau wie der Versandhandel, war auch das Kaufhaus keine wirklich neue Erfindung und schon im berlin der Kaiserzeit gab es Kaufhäuser, in denen sich die Reichen und Schönen tummelten und ihr Geld ausgaben. Aber genauso wie der Versandhandel erlebten auch die Kaufhäuser knapp zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Wirtschaftwunderzeit einen zunächst schleichenden, dann aber immer rasanter ablaufenden Niedergang, der aus den Konsumtempeln in den besten Lagen der Innenstädte oftmals leerstehende, zerbröckelnde und ungenutzt vergammelnde Schrottimmobilen werden ließ, die kein Investor erwerben wollte!
Auch hier wurden Trends verschlafen, trafen die Inhaber und Manager verhängnisvolle Fehlentscheidungen, glaubte man allen Ernstes, die Zeiten würden sich niemals ändern und die Geschäfte immer so weiter laufen, wie in den besten Jahren des Wirtschaftswunders. Spätestens mit dem Fall des Eisernen Vorhangs erwies sich dieser Glaube als Illusion und wie überall, mussten die Beschäftigten dafür bezahlen, nicht die Verursacher und die Profiteure.
Kaufhäuser, besonders die großen und luxuriösen, wurden und werden auch noch heute gern als Mittel der Propaganda, der psychologischen Kriegsführung, eingesetzt. Ein Beispiel dafür ist das Kaufhaus KaDeWe (auf gut deutsch Kaufhaus des Westens), seit 1905 in Berlin ansässig, das nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Schaufenster westlichen Luxuslebens nach Osten hin wirken sollte und den Bürgern der DDR, die damals noch Ostzone hieß, den Mund wässrig nach den „Errungenschaften“ kapitalistischen Konsums zu machen (deren Markenartikel freilich meist im Osten, von zarter Sklaven- und Zwangsarbeiterhand, hergestellt und im Westen für teures Geld an den Mann und die Frau gebracht wurden).
In jeder größeren Stadt gab es und gibt es teilweise noch heute eines oder mehrere dieser Konsumtempel, die zu Hochzeiten des Wirtschaftswunders tagtäglich von tausenden und abertausenden von konsumbesessenen Menschen besucht wurden, die durch die heiligen Hallen dieser Scheinwelt aus Glanz und Glitter strömten. Heute stehen viele dieser einst an Paläste erinnernden Häuser leer, werden nur teilgenutzt, oder gammeln einfach vor sich hin – als Mahnmal des wahnhaften Glaubens vom immer währenden Wachstum! Aber gleich daneben, in den zentren nahezu jeder Mittel- und Gro´stadt, aber zunehmend auch in Kleinstädten, entstehen neue Shopping-Malls (wie das so unschön und in anglisiertem Neudeutsch genannt wird. Große Zentren, unter deren Dach einzene Geschäfte auf- und zumachen, wie eine Auster die Schale. Wer keine Umsätze macht, kann die teuren ladenmieten nicht bezahlen und macht eben bald wieder dicht! Die Betreiber der Malls tragen kaum ein Risiko, dafür aber die Ladenbesitzer. Und deswegen hat da auch kaum noch ein Einzelhändler eine Chance. Wie üblich und mittlerweile bereits gewohnt, machen sich überall Filialen großer Ketten breit und sorgen dafür, dass es in der einen Stadt genauso aussieht, wie in jeder anderen Stadt. Die kapitalistisch-globalisierte Beliebigkeit macht sich breit, wie der schwarze Tod im finsteren Mitellalter in Europa!

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Auf dem Flohmarkt

Am vergangenen Samstag, den  04.06.2016, war wieder Flohmarkt in Karlsruhe auf dem Stephansplatz hinter der alten Hauptpost. Das Wetter konnte sich nicht so richtig entscheiden, was es wollte und so war es ziemlich warm, fast schon schwül, aber bedeckt, mit gelegentlichen Auflockerungen der Wolkendecke. Kam die Sonne durch, trieb es einem sofort den Schweiss aus den Poren. Bewaffnet mit Krücken und der Unterstützung meiner Gattin schlich ich an den vielen Ständen vorbei, das Auge suchend auf die üppigen Auslagen gerichtet. Wie üblich lag da, neben einzelnen prachtvollen Stücken, haufenweise Plunder herum, aber das ist ja Sinn und Zweck eines Flohmarktes. Und genau das macht auch den Reiz aus. Allerdings empfiehlt es sich, nur einen begrenzten Betrag mit auf die Suche zu nehmen, denn sonst kann es nur zu leicht geschehen, dass man am Ende nicht nur schwer mit den gefundenen und nach heftigem Gefeilsche relativ günstig erstandenen Schätzen beladen und vollkommen pleite ist.

Salzstangenspender etwa 1958, Foto: A. Ohlmeyer

Salzstangenspender etwa 1958, Foto: A. Ohlmeyer

Und tatsächlich wurde ich auch fündig, wie ich es mir erhofft hatte und konnte meine nun schon vier verschiedene Exemplare umfassende Sammlung an Salzstangenspendern um eine sehr authentische Neuerwerbung erweitern, die aus den 50er Jahren stammt. Auf der Unterseite klebt gar noch ein altes, originales, handgeschriebenes Preisschild, das Aufschluss über den einstigen Preis in Höhe von DM 8,35 gibt.

Altes Preisschild auf meinem neuesten Salzstangenspender, Foto: A. Ohlmeyer

Altes Preisschild auf meinem “neuesten” Salzstangenspender, Foto: A. Ohlmeyer

Aber das war noch nicht alles. Mir fiel außerdem eine kleine Vase aus Metall in die Hände, die noch in einem relativ guten Zustand war, aber recht teuer. Also war handeln angesagt und schließlich gelang es mir, die Verkäuferin um gute 25% herunter zu handeln. So konnten wir letztlich beide zufrieden auseinander gehen und keiner musste sich übervorteilt fühlen. Dieses prachtvolle Stück Kunsthandwerk stammt aus den späten 50er Jahren. Das weiss ich zufällig genau, weil meine Mutter eine solche Vase und dazu eine Obstschale besitzt, die ich aus meiner Kindheit kenne. Sie hatte sie von meinem Vater geschenkt bekommen, noch bevor er um ihre Hand angehalten hatte. Das charakteristische Muster, welches diese Vase besaß, habe ich nie vergessen. Und so trug ich also meine Neuerwerbung zu meiner Mutter, um sie ihr zu zeigen. Und was soll ich sagen? Kaum hatte sie das wundervolle Teil gesehen, ging ihr ein Strahlen über das Gesicht, sie eilte davon und kam wenig später sowohl mit der Vase, als auch dem Teller zurück, überreichte mir beides und sprach:”Es ist schön, dass Dir diese Sachen so gefallen, mein lieber Sohn. Darum nimm diese beiden Teile hier auch mit und erfreue Dich daran. Ich hätte sie beinahe der Nachbarin gegeben, die immer auf Flohmärkte fährt und dort sehr schöne Sachen verkauft.” Ich war sprachlos! Und sagte zu meiner Mutter:”Ist Dir eigentlich klar, dass ich diese beiden Teile bei Deiner Nachbarin sofort gekauft und Dir geschenkt hätte, weil ich dachte, Du fändest sie vielleicht nicht mehr?” Dann mussten wir herzlich lachen.

Metallvase, etwa 1957, Foto: A. Ohlmeyer

Metallvase, etwa 1957, Foto: A. Ohlmeyer

Nun habe ich alle Vasen nebst Teller in meiner Sammlung von Gegenständen aus den 50er und 60er Jahren auf meinem “Museumsregal” stehen und erfreue mich täglich an ihnen. Bald wird der Tag kommen, an dem ich mir ein komplettes Zimmer mit 50er-Jahre-Möbeln und den entsprechenden Devotionalien einrichte. Es dauert nur noch ein kleines bisschen.

Metallvase, etwa 1957, Foto: A. Ohlmeyer

Metallvase, etwa 1957, Foto: A. Ohlmeyer

Metallteller für Obst, etwa 1957, Foto: A. Ohlmeyer

Metallteller für Obst, etwa 1957, Foto: A. Ohlmeyer

Kochen mit Clemens Wilmenrod

Nun wollen wir uns, da mit großen Schritten sich kühlere Tage nähern und der Herbst, später der Winter ins Haus steht, mit den Dingen beschäftigen, die uns in solchen Zeiten, wenn der Sturmwind ums Haus tobt, der Regen in endlosen Bächen an den Fensterscheiben herunter rinnt und dann irgendwann auch vielleicht ein paar Schneeflocken leise hernieder fallen, besonders gut tun – mit dem Essen nämlich. Und wer wäre besser dafür geeignet, als unser Clemens Wilmenrod, der in den 50er und 60er Jahren der bekannteste Fernsehkoch in der wirtschaftswundernden Bundesrepublik war?

Er sorgte mit seinen Ideen und Rezepten (die er natürlich zusammen mit seiner hinter den Kulissen den Kochlöffel schwingenden Ehefrau entwickelte) dafür, dass die langsam aber sicher zu Wohlstand kommenden Deutschen einen strammen Wohlstandsbauch entwickeln konnten.

Er war sehr einfallsreich. Hier zum Beispiel erläutere er die Herstellung eines Heringssalates nach bretonischer Art, für die er sage und schreibe eine ganze Woche veranschlagte. Und das nur, damit die treusorgende Ehefrau dem Gatten eine Speise servieren konnte, bevor er am Samstag abend zum Skatspielen ging (was vermutlich bedeutete, dass sie ihm eine Grundlage dafür schaffte, dass er nach zehn, zwölf Flaschen Bier und einigen Kurzen mit den Skatbrüdern, trotz aller daraus folgenden Widrigkeiten, noch den Weg nach Hause fand)! Dieses nette Filmchen stammt aus dem Jahre 1961, es könnte aber auch bereits 1958 entstanden sein, denn darüber gehen die Meinungen etwas auseinander…

…und zum Nachtisch dann, kann die beste Ehefrau von allen dem Herrn des Hauses noch ein paar gefüllte Erdbeeren kredenzen. Wer das allerdings nicht weiss, dem kann es passieren, dass er voller Freude seine Zahnprotese in die mit einer Mandel gefüllte Frucht haut und hinterher den ein oder anderen Zahn vermisst, weil er ihn in seiner Gier versehentlich verschluckt hat…

Das Essen im Nachkriegs- und Wirtschaftswunderdeutschland hatte es in sich. Keine Frage. Aber war es ungesünder als der Industriefraß heute? Das möchte ich ein oder zweimal bezweifeln. Warf man der Küche und den Köchen der aufstrebenden Bundesrepublik vor, zuviel Fett, zuviel Fleisch und zu wenig Obst und erst recht zu wenig Gemüse zu verwerten, so ist in den heutigen, industriell vorgefertigten Tütensuppen, Fertiggerichten und Fastfood-„Spezialitäten vor allem was drin? Richtig, zuviel Fett, zuviel Fleisch und zu wenig Obst und Gemüse und, das wollen wir nicht verheimlichen auch noch jede Menge Industriezucker, Hefeextrakt und Geschmacksverstärker. Darüber hinaus schmeißen wir uns abends vor dem Fernseher auch noch „leckere“ (fettige und vor allem extrem salzige) Knabbereien ein, nehmen als „Zwischenmahlzeit“ ein-, oder zweimal täglich einen Schokoriegel (natürlich mit jeder Menge Fett und dem Energiegehalt von mehreren Dutzend Stückchen Würfelzucker) zu uns, um das aus der Werbung wohl bekannte „Elf-Uhr-Loch“ zu füllen oder meinetwegen auch die viel zu lange Zeit zwischen den Hauptmahlzeiten zu überbrücken und gießen uns dann, weil wir von dem ganzen Mist durstig geworden sind, braun gefärbte Zuckerbrühe in uns hinein, damit wir nicht austrocknen!

Okay, das ist natürlich alles sehr viel nachhaltiger, gehaltvoller (jedenfalls gehaltvoller an Kalorien) und gesünder als die Ernährung von vor fünfzig, sechzig Jahren – wenn man der Werbung der Lebensmittelkonzerne Glauben schenkt! Allerdings waren die Mengen, die man früher zu sich nahm, deutlich kleiner. Jedenfalls in meiner Erinnerung.

Damals starb man vielleicht an Herzverfettung oder Lungenkrebs, weil man zu allem Überfluss auch noch rauchte wie ein Schlot. Heute gehen wir an Herzinfarkt und Diabetes Typ 1 oder Typ 2 ein, was auch nicht wirklich besser ist! Aber dennoch kann ich mich der weisen Erkenntnis eines Wiglaf Droste nicht ganz verschließen. Er vertritt die Ansicht, Diät ist Mord am ungegessenen Knödel. Und wer bin ich, dass ich dem widersprechen könnte?

Ich habe lieber Blähungen durch einen deftig gewürzten Kartoffelsalat mit ordentlich Mayonnaise, als durch eine Kohlsuppendiät. Besonders, wenn die Folgen derselbe derart drastisch und vor allem peinlich sind, wie sie der nette kleine Artikel des Vincent Klink auf zeit.online vom 11.5.2006 schildert.

Wer noch weiter gegen den herrschenden Zeitgeist anmampfen will, darf sich gerne der Rezepte aus dem Wirtschaftswunder bedienen und dann auch stolz seine Plauze vor sich her tragen…

So das sollte es erstmal gewesen sein. Wer Rezepte kennt und sie mir und den Lesern gern zur Verfügung stellen möchte, sollte sich keinen Zwang antun, sondern eifrig nieder schreiben, was er früher gerne futterte, wenn Muttern in der Küche gewirbelt hatte…

Clemens Wilmenrod, der eigentlich Carl Clemens Hahn hieß und sich nach seinem Heimatort Willmenrod nannte, starb leider viel zu früh, vermutlich durch Selbstmord in einem Münchner Krankenhaus. Es bestand der Verdacht auf Magenkrebs. Man kann ihn getrost als den Erfinder der Kochshows bezeichnen, die heute auf nahezu jedem Programm und zu jeder Tages- und Nachtzeit laufen und die Hinz und Kunz ein Forum geben, um sich vor der Kamera zu produzieren. Den Charme der alten Sendungen aus den 50er und 60er Jahren, erreichen sie aber alle nicht.

Etliche heute weniger bekannte Rezepte werden ebenfalls dem Einfallsreichtum Wilmenrods und seiner Frau zugeschrieben. Zum Beispiel das arabische Reiterfleisch. Neben seinen Fernsehauftritten veröffentlichte Clemens Wilmenrod auch noch etliche Kochbücher, die heute Kultstatus besitzen und als antiquarische Bücher relativ teuer sind. Aber das ein oder andere dieser Prachtstücke gehört zweifellos in jeden guten Haushalt, der auf sich hält und die Zeit des Wirtschaftswunders ab und an der Vergessenheit entreißen möchte. Wenigstens was die Küche betrifft!

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